Schreibsystem
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, besteht das japanische Schreibsystem aus drei Schriften. Zum besseren Verständnis werden hier keine echten japanischen oder chinesischen Zeichen verwendet, sondern geeignete Abstraktionen gewählt. Bei diesen Gedankenexperimenten erklären sich einige Besonderheiten, Eigenarten und Kniffe der Schrift. Dieses Kapitel soll eine illustrative Übersicht geben, während die darauffolgenden Unterkapitel die echten Schriften im Detail erörtern.
Im Folgenden ist ein deutscher Beispielsatz konstruiert, um die drei Schriften zu motivieren.
der bekam ein GIFT in ESSEN, weil er ein geet hat. WUFF WUFF !
In den nächsten Abschnitten werden die einzelnen Schriftbestandteile hervorgehoben und behandelt.
Motivation für chinesische Zeichen
der bekam ein GIFT in ESSEN, weil er ein geet hat</span. WUFF WUFF !
Im Beispieltext werden Piktogramme verwendet, nämlich: , , , . Ein Piktogramm (geschriebenes Bild) ist ein einzelnes Symbol oder Icon, das eine Information durch vereinfachte grafische Darstellung vermittelt. In diesem Fall sind die vermittelten Informationen:
- = hund
- = klein
- = kind
- = rettung
Abkürzung
Die Nutzung von Piktogrammen in Texten kennen Deutsche meist nur aus online Texten, wegen der Nutzung von Emojis. Das naheliegenste in der deutschen Sprache zu Piktogrammen sind Abkürzungen wie Akronyme. Sind Akronyme sehr bekannt, dann werden sie fast ausschließlich in Texten ohne Erklärung verwendet. Das trifft beispielsweiße für das Akronym "ARD" zu, welches hier als Extrembeispiel herangezogen wird, um den Vergleich klar zu machen. Foldenden Satz könnte man formulieren:
ARD zeigt im ARD-Morgenmagazin spannende Beiträge über die Geschichte der ARD.
Würde man die Abkürzung nicht nutzen, wird der Satz schnell unleserlich und lang:
Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland zeigt im Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland-Morgenmagazin spannende Beiträge über die Geschichte der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland.
Gibt es also feste und bekannte Abkürzungen für Konzepte, bei denen jeder weiß, wofür sie stehen, werden diese bevorzugt verwendet.
Bedeutung Kennen
Mit einem Piktogramm Zeichen kann man sich mehrere alphabetische Zeichen sparen, z.B. fasst mit "Rettung" sieben Zeichen in ein Zeichen zusammen. Doch diese Ersparnis hat einen Preis: Der Leser muss das Zeichen und seine Bedeutung kennen, um den Text verstehen zu können. Für das Konzept "Rettung" wird in diesem Beispiel symbolisch der Rettungsring verwendet. Man könnte das Symbol aber auch als Kanaldeckel oder Bullauge interpretieren. Daher muss man für das Textverständnis die richtige Symbolbedeutung gelernt haben.
Mehrere Bedeutungen
Ein Symbol könnte auch für mehrere Bedeutungen stehen, die nicht zwangsläufig etwas miteinander zu tun haben müssen. Als Beispiel könnte wegen der Nutzung des Rettungsrings das auch für "Schwimmen" stehen. Der Leser muss also den Satz verstehen und die richtige Bedeutung aus dem Zusammenhang erkennen. In diesem Fall würde "(...) weil er ein Kleinkind geschwommen hat" weniger Sinn ergeben, als "(...) weil er ein Kleinkind gerettet hat".
Komposita
Wie im Deutschen können Piktogramm wie Komposita zusammengesetzt werden. Eigentlich würde man als "Lineal" ansehen, doch in Zusammenhang mit als "Kind" wird aus das Konzept "Kleinkind". Dadurch können neue Begriffe geformt werden, wie beispielsweiße als "junger Rettungshund". Doch nicht alle Kombinationen ergeben wiederum Wörter, z.B. wäre kein anerkannter Begriff.
Lesungen
Der Leser muss die Lesung eines Piktogramms kennen, um den Text lesen zu können, da nun alphabetische Zeichen fehlen. Instinktiv liest man bei "der " also "der Hund". Zudem ist im Beispiel das Konzept "Rettung" im Verb "gerettet" verwendet worden, nämlich "geet". Die Lesung von ist in diesem Fall also "rett". Im Deutschen nutzen wir solche Wortstämme auch, um weitere Wörter durch Präfixe (davor) oder Suffixe (danach) zu erzeugen, z.B. Rett-ung, Rett-er, Rett-en, ge-rett-et.
Gehen wir davon aus, dass sich neben "Rettung" auch das englische Wort "Rescue" eingebürgert hat. Unter Verwendung des selben Piktogramms wird in bestimmten Kontexten der englische Begriff ausgesprochen, z.B. wenn ein Tier anstatt ein Mensch gerettet wird. Hier ein Beispiel, wie sich unter diesem Umständen die Lesung verändert:
der wird ged.
Dieser Satz würde sich dann "Der Hund wird gerescued." lesen: Es entsteht ein Denglisch (Deutsch-Englisch Mix) in der Sprache. Weil das selbe Symbol genutzt wird, gibt es also nun zwei mögliche Lesungen des einen Symbols: "rett" und "rescue".
An diesem Punkt merkt man auch, dass Piktogramme allein nicht alles leisten können: Es benötigt eine weitere Schrift, um die Lesung zu klären und um Symbole grammatikalisch in verschiedenen Zusammenhängen verwenden zu können.
Motivation für erste Silbenschrift
der bekam ein GIFT in ESSEN, weil er ein geet hat. WUFF WUFF !
Zur Veranschaulichung ist die Silbenschrift nur mit Kleinbuchstaben geschrieben.
Lesung
Sie kam bereits bei den Piktogrammen zum Einsatz, denn erst durch eine Schrift mit Buchstaben, die Laute repräsentieren, kann die Aussprache von Piktogrammen erklärt werden. So weiß man in dem Beispieltext die Aussprache der Symbole: hund = , klein = , kind = .
Grammatik
Innerhalb des Satzes umfassen die Wörter u.A. Artikel "der, ein", Pronomen "er", Konjunktion "weil", Präposition "in", Verb "bekam", Hilfsverb "hat", Präfix "ge" sowie Suffix "et". Anstatt den Inhalt zu vermitteln, haben sie eher grammatikalische Funktionen. Z.B. bei dem Verb "gerettet hat" flektiert das "ge", "et" und "hat" mit dem Wortstamm "rett" in folgende Kategorie: Perfekt / Aktiv / Indikativ / 3. Person.
Erst durch die Verbindung von Piktogrammen und Kleinbuchstaben entsteht ein zusammenhängender Satz, der für Leute, die Piktogramme gewöhnt sind, angenehm lesbar wird. Doch es ist notwendig, manche Wörter durch eine weitere Schrift unterscheidbar zu machen.
Motivation für zweite Silbenschrift
der bekam ein GIFT in ESSEN, weil er ein geet hat. WUFF WUFF !
Die zweite Silbenschrift ist veranschaulicht mit großgeschriebenen, kursiven Buchstaben. In dem Beispieltext gibt es drei Wörter: GIFT, ESSEN und WUFF.
Fremdworte
Tatsächlich wurde in dem Text Denglish geschrieben. Mit GIFT ist nämlich das englische Wort gemeint, was hier auf Deutsch Geschenk bedeutet. Damit der Leser es nicht mit dem Gift (Stoff, der im Körper eine schädliche oder tödliche Wirkung hervorruft) verwechselt, wurde es absichtlich mit der zweiten Schrift als GIFT geschrieben.
Eigennamen
Mit dieser zweiten Schrift lassen sich auch Homonyme besser unterscheiden. Homonyme sind Wörter, die äußerlich gleich sind, sich aber in ihren Bedeutungen unterscheiden. In diesem Fall ist es das Wort "Essen", was die Nahrungsaufnahme aber auch eine Stadt im Ruhrgebiet bezeichnen kann. Da es im Text als ESSEN geschrieben ist, kann der Leser daraus schließen, dass ein Eigenname geschrieben wurde, also wahrscheinlich die Stadt gemeint ist.
Lautmalerei
Des Weiteren kann mit dieser Schrift besondere Wörter hervorgehoben werden, wie Lautmalerei, die sprachliche Nachahmungen von außersprachlichen Schallereignissen. In dem Beispiel ist es WUFF, welches das Bellen eines Hundes nachahmt.
Durch den Text haben wir implizit das Leerzeichen in der Schrift eingeführt, um die Abgrenzung von Wörtern zu erreichen. Das ist aber eigentlich nicht notwendig.
Motivation für fehlende Leerzeichen
Mit drei Schriften können wir tatsächlich auf die Leerzeichen im Satz verzichten, da durch geschicktes Stellen die Schriften abwechselnd aufeinander folgen. Damit ist die Trennung von Wörtern implizit (nicht ausdrücklich) gegeben. Der Satz lässt sich ohne Leerzeichen in dieser umgestellten Form trotzdem lesen:
dereinGIFTinESSENbekam,weildortgeethat.WUFFWUFF!
Absichtlich wird "bekam" im Nebensatz hinten angestellt, damit es nicht mit den anderen Wörtern verschwimmt. Zudem ist das Wort "dort" zwischen und geschrieben, damit es als Trenner fungiert. Der Präfix "ge" ist bewusst als Suffix umgeformt, damit das Verb mit dem Wortstamm beginnt und die Flektion als Suffix abgelesen werden kann. Die beiden WUFF Lautmalereiwörter können zusammengeschrieben werden, da es geläufig und noch verständlich ist.
Fazit
Durch die Gedankenexperimente wird klar, warum es neben einer Piktogramm-Schrift noch zwei weitere Schriften gibt und wie sie miteinander in Beziehung stehen. Daraus motiviert wird im nächsten Unterkapitel die japanische Silbenschrift und ihre Aussprache erklärt.